Schweiz: „Husky-Hatz auf 3.000 Metern Höhe“

Gelegentlich bin ich als freiberufliche Reisejournalistin aktiv. So auch beispielsweise 2009 für die Reisezeitschrift TOURS, als eine Reportage aus dem Saanenland in der Schweiz gefragt war.


Das Programm auf meiner Reise war jeden Tag gut gefüllt und vielseitig, oft wusste man kurz vorher nicht, was anstand: Übernachten bei einem Senner-Ehepaar in den Bergen, Husky-Schlittenfahrt, Rodelfahrt auf dem Glacier 3000 usw. Meine Pumpe war immer dabei. Gut, dass ich damit flexibel und kurzfristig auf körperliche Aktivitäten reagieren und zum Beispiel die Basalrate temporär absenken kann.

Das Ergebnis meiner Recherchen und Erlebnisse vor Ort – der Artikel – erschien damals unter dem Titel „Gelbes Gold im Überfluss“:

 

„Gelbes Gold im Überfluss“

Ob traditionelles Sennerleben auf auf einer Alp auf knapp 2.000 Metern Höhe oder rasante Husky-Schlittenfahrten in der hochalpinen Gletscherwelt – das Saanenland und Gstaad bieten klassisches Understatement de luxe. „Tipptopp“, wie der Schweizer urteilt.

Einer Legende zufolge entstand das Saanenland, als Gott sich während der Schöpfung eine kleine Pause gönnte. Die Finger seiner Hand formten die fünf Täler, in den Handteller schmiegt sich das Chaletdorf Gstaad. Eine schöne Geschichte. Ene Geschichte, wie sie Erika und Jakob Zumstein erzählen könnten. Aber das braucht das Bauernehepaar gar nicht. Denn wenn die beiden neue Gäste auf ihrer Hütte auf der Alp Turnels begrüßen, bietet deren abgeschiedenes Leben auf 1.900 Metern genügend Gesprächsstoff.

Dieses Leben auf der Alp im weiten Kessel des Turnelsbachtals findet jedes Jahr von Juni bis in den Herbst statt. In diesen Sommermonaten lassen sich die Zumsteins dort oben ihren Tagesrhythmus von ihren 30 Kühen diktieren. Warum? Weil das Vieh im Schweizer Saanenland im Sommer in den Alpen auf über 1.600 Meter grast und damit Milch für den berühmten Alpkäse liefert. Im Winter wandern die Baunerfamilien samt Tieren wieder ins Tal, bevor sie im Frühjahr auf die sogenannte Voralp umsiedeln. Das Ehepaar Zumstein macht aber noch mehr als nur drei bis vier Laibe Käse pro Tag auf ihrer Alp: Es beherergt Touristen. Doch mit einem Hotelbetrieb hat ihr außergewöhnliches „Unternehmen“ nur sehr wenig gemein.

Fondue mit Sage

Sobald eine neue Gruppe am Abend die Hütte erreicht – „nie mehr als maximal zehn Leute auf einmal“, wie Erika betont – begrüßen die Zumsteins ihre Gäste mit einem herzlichen „Grüezi“, offenen Armen sowie mit einem köstlichen Schmaus: Schweizer Käsefondue, Alp- und Ziegenkäse sowie Sauerrahm schmücken den einladenden Holztisch in der Stube – natürlich alles selbst gemacht und mithilfe der drei Jugendlichen, die sich in den Ferienmonaten auf der Alp ihr Taschengeld aufbessern, angerichtet. Schnell wird man in den ebenso rasch vergehenden Abendstunden ein Teil der Familie, erfährt von früheren Generationen, lauscht der Sage vom Friesenvolk, lacht über österreichisch-schweizerische Witze und auch als ausländischer Gast eignet man sich für ein Resümee des Abends schnell das örtliche Sprachrepertoire an: „Tipptopp“ – das heißt so viel wie „super, toll, klasse“!

Wenn die Schlafenszeit naht, geht es ein Stockwerk höher und die Gäste kuscheln sich oberhalb des Kuhstalls in ihre Betten. Bis dahin hat man sich übrigens bereits an den intensiven Geruch der tierischen Mitbewohner gewöhnt. Der tiefe Schlaf dauert so lange, bis am nächsten Morgen die nach und nach eintrudelnden Kühe mit ihren Kuhglocken ihre Ankunft im Stall ankündigen. Sie wollen gemolken werden …

Rasanter Kindheitstraum

Zur gleichen Zeit macht sich andernorts René Minartz mit seinen 24 Huskys von seinem 40 Kilometer entfernten Wohnort Boltigen auf den Weg zum Gletschergebiet „Glacier 3000“. Dort bietet er Hundeschlittenfahrten an. Die Geschichte von René Minartz ist kurios: Ein Fernsehbericht über Huskys entfachte bei ihm bereits im Alter von sieben Jahren seine Leidenschaft für dieses nicht alltägliche Hobby. Mit zwölf besaß er seine ersten Hunde, mit seinem ersten 10er-Hundegespann trainierte er in den folgenden Jahren fleißig in seiner Heimat – im hügeligen Süden der Niederlande – den „Dutsch Mountains“! 1988 schließlich zog der studierte Rechtswissenschaftler in die Schweiz, wo er seine Passion zum Beruf machte. Heute also ist der Traum von damals Wirklichkeit: Lautes Gejaule nahe des „Alpine Coasters“, der weltweit höchstgelegenen Rodelbahn, verkündet, dass die morgendliche Reisegruppe – René Minartz und seine Tiere – ihr Ziel erreicht hat: die Bergstation des Glacier 3000 auf 3.000 Meterns Höhe und damit die Ausgangsposition für die Husky-Schlittenfahrten. Die ersten Wanderer sind ebenfalls schon um diese Zeit dort oben auf Tour.

Bei Zumsteins auf 1.900 Metern Höhe herscht derweil rege Betriebsamkeit, denn trotz des kalendarischen Sommers kam über Nacht überaschend ein Wintereinbruch – es schneit! Das bedeutet, die Kühe kamen viel früher in den Stall und während die Gäste erst allmählich gewillt sind, unter den dicken Decken hervorzukriehen, haben die Zumsteins ihre Küe bereits gemolken. In einem großen Kuperkessel sammelt sich die Milch, aus der mithilfe des Gerinnungsmittels Lab und unter beständigem Rühren, Schneiden und Ruhen allmählich Käse wird. Zwischendurch versorgt Erika die staunenden Gäste, die sich mittlerweile in der Stube mit dem Radio – als einzigem technischem Medium im Haus – versammelt haben, und die nun schon Milch in jeder Konsistenz getestet haben: Sauerrahm, Buttermilch, Sahne, Butter, Weich- und Hartkäse, warme und kalte Milch. Fehlt eigentlich nur noch die Molke – und für deren Einsatz stehen zwei große Holzzuber vor der Hüttentür bereit. Das Molkebad ist angerichtet! „Das macht eine schöne Haut“, preist Erika Zumstein die besondere Attraktion für Besucher der Alp Turnels an.

Tierische Motivation

Während Jakob Zumstein nun wie jeden Tag in seine „Schatzkammer“ geht und den dort deponierten Käse der letzten Tage und Wochen für ein optimale Reifung mit Salzlake bürstet, spannt René Minartz zehn der aufgeregt und lauthals kläffenden Huskys auf dem Glacier 3000 vor einen Schlitten. „Jeder Manager wäre froh über derart motivierte Mitarbeiter“, weiß René Minartz und meint damit die spürbare Vorfreude seiner Tiere auf die bevorstehende Bewegung. Und schon geht’s los. Bei einem atemberaubenden Panorama – mit Blick auf den bekannten Mont Blanc und das Matterhorn – ziehen die Huskys den Schlitten mit René Minartz und vier Gästen bis zu 40 Stundenkilometer schnell duch den Schnee. „Ho, Whitesock“, „Tschi, Taiga“ – mit Kommandos aus der Inuit-Sprache lenkt René Minartz das Gespann und nennt dabei jeden einzelnen Husky bei seinem Namen. Man spürt: Hier ist ein eingespieltes Team am Werk.

Auf der Hütte der Zumsteins geht es inzwischen auf die Mittagszeit zu. Jakob wird heute Nachmitag ein paar seiner gelben Goldstücke hinunter ins Tal zum Käsereifungslager bringen. In diesem Speicher mit einer Kapazität von 140 Tonnen können die Bauern der Region Fläche „mieten“. Der Käse wird dafür bei 12 bis 14 Grad und bei 80 bis 90 Prozent Luftfeuchtigkeit aufbewahrt, gepflegt, nach mehrmonatiger Reifezeit taxiert und verkauft. Manche Käselaibe liegen sogar bis zu vier Jahre in diesem Hochregallager. Doch jeder auch noch so arbeitsreiche Tag neigt sich irgendwann dem Ende zu.

So auch heute: Die Huskys von René Minartz kommen von ihrer letzten Tour zurück und machen sich nun mithilfe einer der Luftseilbahnen mit ihrem Herrchen auf den Heinweg. Und das Zumstein-Ehepaar begrüßt bereits den neuen Besuch. Wieder wird hier ein köstliches Fondue auf dem Speiseplan stehen – tipptopp – wenn Gott da mal nicht auch seine Finger im Spiel hatte!

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Reisekoordinaten Schweiz

    • Datum:
  • Juli 2008
    • Fläche:
  • 41.285 km²
    • Einwohner:
  • 8,3 Mio.
    • Bevölkerungsdichte:
  • 201 EW/km²
    • Insulintherapie:
  • CSII
    • Insulinpumpe:
  • Cozmo
    • Insulin:
  • Novorapid