England: „Diabetes-Bekanntschaft im Londoner Hostel“

Magister-Abschluss in der Tasche, ersten Arbeitsvertrag unterschrieben und noch drei Monate bis zum Start des Berufslebens. Zeit zum Reisen. Für die erste Tour auf eigener Achse – heißt: zum ersten Mal alleine mit damals ganz neuer Insulinpumpe – suchte ich mir ein Land aus, in dem es im Fall der Fälle weniger Sprachprobleme geben sollte als beispielsweise bei einer Reise nach Japan: England was calling!


Ein paar Wochen zog ich durch London und Umgebung, alle paar Tage wechselte ich das Hostel und lernte unglaublich viele Leute aus aller Welt kennen. „Mixed dorms“ (Schlafräume für Jungs und Mädels), zu zweit, viert, sechst, acht, zehnt. Was ein Spaß! Und bei jedem Check-in gleich die erste Frage: „Where is the fridge?“, um mein Insulin zu deponieren – beschriftet mit „Susanne“, wie es in Hostel-Kühlschränken eben so üblich ist. Es lief.

Diabetiker im Stockbett unter mir,
Insulin ungekühlt neben dem Bett.

Und dann, eines Tages im Hyde-Park-Hostel in London: Ich bezog mein „Dormitory“. Fünf weitere Gäste teilen das Zimmer mit mir, sagte man mir an der Rezeption. Momentan war aber keiner zuhause. Während ich das letzte freie Bett ansteuerte (Stockbett oben), ahnte ich anhand des unglaublichen Wäsche- und Gepäckchaoses im Bett unter mir, dass da sicher ein Typ hauste. Und dann sah ich noch mehr: Offensichtlich achtlos neben das Bett geworfen, entdeckte ich Insulinampullen und -verpackungen! Aha, also ein Typ mit Diabetes … und genau das bestätigte sich, als ich meinen Mitbewohner auf Zeit später kennenlernte:  Steven, Engländer, 22 Jahre alt, war völlig irritiert, als ich ihn darauf hinwies, dass Insulin doch in den Kühlschrank gehöre! „Relax“, meinte er. Er sei da entspannt, das sei alles nicht so kritisch, das mache er schon seit Jahren so. Kein Problem. Ich war entsetzt.

Aus heutiger Sicht weiß ich, dass die Wahrheit irgendwo zwischen unseren konträren Meinungen von damals liegt. Er war wohl tatsächlich etwas schluderig mit seinem Diabetes-Equipment, ich dagegen damals noch sehr unentspannt in Sachen Insulin. Er hatte schon zehn Jahre Erfahrung mit Diabetes. Ich gerade mal 2,5. Und nur zwei Monate mit der Insulinpumpe. Aber tatsächlich: Insulin ist robuster als man denkt. Natürlich sollte man (noch) nicht benötigtes Insulin kühlen, aber bereits angebrochene Ampullen halten Zimmertemperaturen durchaus aus. Sogar bis zu vier Wochen. What remains? Well … man lernt nicht nur von Ärzten und Büchern fürs Leben – man muss auch raus ins echte Leben. Manchmal auch auf eine Insel.

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Reisekoordinaten England (UK)

    • Datum:
  • Mai 2005
    • Fläche:
  • 243.610 km²
    • Einwohner:
  • 64,6 Mio.
    • Bevölkerungs­dichte:
  • 264 EW/km²
    • Insulintherapie:
  • CSII
    • Insulinpumpe:
  • Cozmo
    • Insulin:
  • Novorapid