Peru: „Was tun, wenn man sein Insulin im Dschungel vergessen hat?“

In der „Eco Amazonia Lodge“, direkt am Ufer des Rio Madre De Dios im Tambopata-Nationalpark, inmitten von Tausenden von Quadratkilometern tropischen Regenwaldes. Irgendwo zwischen Puerto Maldonado in Peru und der Grenze zu Bolivien. 6.40 Uhr morgens. Im Dschungel ist es schon hell, man hört die Affen kreischen, die Luft riecht frisch.


Moment, es ist schon hell? Hieß es gestern Abend nicht, ich werde heute um 6 Uhr geweckt, damit ich noch packen, frühstücken und um 7 Uhr das nur einmal am Tag fahrende Bötchen zurück in die Zivilisation bekommen kann? Darauf habe ich mich verlassen. Auf meinen Handywecker wäre ohnehin kein Verlass mehr gewesen, weil es in der Lodge nur wenige Stunden am Tag Strom gibt – von Internet ganz zu schweigen. Der Akku neigte sich also bereits kurz nach meiner Ankunft schnell dem Ende zu.

Tja, in Peru ist vieles nicht wie erwartet. Ich wurde also nicht geweckt. 20 Minuten bis zur Abfahrt des Wasser-Taxis, das auch Einheimische die vielen Stunden stromaufwärts Richtung Dschungeldorf Puerto Maldonado bringt. Aber eben nur einmal am Tag. Auf eine reisende Deutsche, die verschlafen hat, wartet man da natürlich nicht. Also los: Rein in die Klamotten, alles Umherliegende in den Rucksack gestopft, schnell im Zwischenraum des Bungalows zwischen Schlafraum und Natur in die Wanderschuhe schlüpfen – jaha, Schuhe lässt man im Dschungel nicht über Nacht draußen. Vorsichtshalber die Schuhe vor dem Anziehen noch einmal umzudrehen, um eventuell unerwünschten, tierischen Inhalt herauszuschütteln, sorgt trotzdem für ein gutes Gefühl. Schnell, schnell, schnell! Ein Grieche und eine Finnin – die einzigen weiteren Ausländer, denen ich hier in den letzten Tagen begegnet bin, sitzen bereits entspannt beim zweiten Kaffee am Frühstückstisch. Ich bin froh, überhaupt noch schnell ein paar Stückchen Papaya und Mango zu schnappen. Und da ist es schon: das Dschungeltaxi. Herzliches Adiós. Abfahrt.

Die Aufregung legt sich an Bord des Motorboots auf dem bis zu 500 Meter breiten Strom mit dichtem Dschungelgrün an beiden Uferseiten schnell, ich blättere gemeinsam mit einem Peruaner aus dem Norden Perus in einer Broschüre über Flora und Fauna der Region. Lege mich dann zurück, die Augen ziehen entlang des Ufers. Ich nicke den anderen im Boot zu – neben dem Griechen eine peruanische Familie, die offensichtlich auch im Dschungel lebt. Paradoxerweise sind sie modern unterwegs – mit Laptop und Smartphone. Ich genieße den Moment, höre nur den monotonen Motor und das plätschernde Wasser, sehe die Baumstämme und Äste im braunen Wasser treiben, die Kaimanen teilweise zum Verwechseln ähnlich sehen – wahrscheinlich ist der eine oder andere „Baumstamm“ tatsächlich ein Exemplar der hier verbreiteten Reptilien. Ich atme tief die unglaublich frische Luft ein – in dem Wissen, dass ich schon in ein paar Stunden wieder in Cusco sein werde. Lasse die Gedanken an meine Tage in der Lodge zurückwandern. Ein Paradies inmitten des Paradieses. Und wie nett mich Camp-Chef Fernando bei meiner Ankunft empfangen hat. Ein sehr sympathischer und hilfsbereiter Zeitgenosse. Mein Insulin hat er auch gleich in den einzigen Kühlschrank der Bar gelegt. Mein Insulin? In den Kühlschrank der Bar? In der Lodge? Oje. Da liegt es noch immer. Um daran zu denken, war es heute Morgen zu hektisch …

„Dann essen Sie die nächsten Tage eben nur Proteine – Meerschweinchen oder so.“

Und nun? Que se puede hacer? Was tun? „No“, umdrehen könne das Boot nach fast zwei Stunden Fahrt nicht mehr. Und „no“, es fährt heute auch kein zweites Boot mehr. Mein Flieger am Mittag sei ohnehin der letzte, der heute die Region Tambopata verlasse. Was man beim Leben-und-Leben-Lassen in Südamerika schnell lernt, ist Gelassenheit. Und man kann umso gelassener sein, wenn man sich auf Eventualitäten vorbereitet. Natürlich war die in die Lodge mitgenommene Insulinampulle nicht mein gesamter Vorrat, der mich in Peru und Bolivien begleitet hat. Ich hatte in meinem Hostel in Cusco selbstverständlich die größere Menge Novorapid im Küchen-Kühlschrank gelagert – eingepackt in einen Thermo-Kaffeebecher. Den nicht ganz ernst gemeinten Rat meines Diabetologen, dem ich – zurück im WLAN-Land – per What‘s App von meinem Malheur berichtet habe, musste ich folglich nicht befolgen: „Dann essen Sie die nächsten Tage eben nur Proteine – Meerschweinchen oder so.“

Und trotzdem wollte ich natürlich wieder an mein vergessenes Eigentum. Vor allem wegen der Frio-Kühltasche, die dazugehörte und die ich noch für meine weiteren Pläne in Peru brauchte. Im Jahr 2015 ist vieles möglich. Ich tauschte am Dschungel-Flughafen die Kontaktdaten mit dem Taxifahrer Luis aus – ohne große Hoffnung – und chattete in den nächsten Tagen via What‘s App diverse Male mit ihm. Schöne neue Welt. Er versprach, alles in die Wege zu leiten. Und tatsächlich: Nach einigen misslungenen Versuchen und noch mehr Missverständnissen trafen nach rund vier Tagen Insulin, Kühltasche und ich in einem Hostel wieder zusammen. Das Insulin liebevoll und sorgsam von Wemauchimmer in fünf triefend nasse Schichten Zeitungspapier eingepackt. Gut, die Ampulle habe ich natürlich nicht mehr verwendet – aber das Frio-Kühlsystem konnte ich im heißen Lima wiederverwenden, wohin ich kurz darauf weiterreiste.

Ganz nebenbei: Spannend, dass mehrere Menschen offensichtlich eine ihnen nicht bekannte, flüssige „Medizin“, die auch sonst irgendeine Droge hätte sein können, einfach in Boot, Flieger, Auto und wer weiß wo noch mit sich transportiert haben. Vertrauen ist gut – und das ist erfreulicherweise in Peru auch manchmal ohne Kontrolle gut so!

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Peru

Reisekoordinaten Peru

    • Datum:
  • Januar/Februar 2015
    • Fläche:
  • 1,3 Mio. km²
    • Einwohner:
  • 30,1 Mio.
    • Bevölkerungsdichte:
  • 23 EW/km²
    • Insulintherapie:
  • CSII
    • Insulinpumpe:
  • Omnipod
    • Insulin:
  • Novorapid